Auf der Suche nach den Deutschen in Ontario

Wer in Toronto unterwegs ist, der stößt auf Stadtviertel wie Chinatown, Little Italy oder Little Jamaica. Es scheint so, dass jede Einwanderer-Nation in der Stadt einen Platz für sich gefunden hat – ganz zu schweigen von den ehemaligen Kolonialmächten England und Frankreich, die überall präsent sind. Wer aber in Toronto nach Deutschen sucht, der braucht Durchhaltevermögen.

Rund zehn Prozent der kanadischen Bevölkerung haben einen deutschen Hintergrund. Die meisten Deutschstämmigen leben sogar in Ontario. In Toronto haben sie sich allerdings bestens integriert und verstecken ihre Herkunft vor der Öffentlichkeit – für gutes deutsches Brot muss ich bis an den Rand der Stadt reisen.

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Deutsche Pioniere haben Kanada aufgebaut

Dabei haben deutsche Einwanderer nicht nur Toronto, sondern ganz Kanada wesentlich geprägt und mitgestaltet. So etwa William Berczy aus Nördlingen im Ries: Er half dem englischen Gouverneur John Graves Simcoe, Toronto zu gründen. Berczy baute zudem mit seinen deutschen Siedlern einen großen Abschnitt der Yonge Street – die längste und wichtigste Straße Torontos.

Toronto beherbergt heute gleich mehrere deutsche Institutionen, wie die deutsch-kanadische Industrie- und Handelskammer, ein Goethe Institut und eines der drei deutschen Generalkonsulate. Zahlreiche deutsche Firmen und Banken, wie etwa Siemens, die Deutsche Bank, BASF und Mercedes Benz koordinieren im Großraum Toronto ihre kanadischen Geschäfte.

Eigentlich ist das eine gute Ausgangssituation für eine gefestigte deutsche Community in Toronto. Dennoch musste ich eine ganze Weile suchen, bis ich Anschluss zu deutschen Gruppen fand. Glücklicherweise gibt es Suchmaschinen und soziale Netzwerke im Internet.

Wer Deutsche sucht, der muss ins Internet

Die beiden aktivsten jungen deutschen Gruppen in Toronto organisieren sich über Meetup: Das German Meetup Toronto und der Greater Toronto German Club bieten regelmäßig Veranstaltungen an, vom Stammtisch bis hin zum Spielenachmittag für deutsche Eltern. Die Treffen sind zwanglos, die meisten Teilnehmer möchten neue Kontakte knüpfen, suchen Rat oder wollen einfach mal wieder Deutsch sprechen. Ich habe bisher kein Treffen erlebt, das langweilig war und habe dort viele interessante Persönlichkeiten und spannende Lebensgeschichten kennengelernt.

In Kitchener fanden Deutsch-Kanadier eine Heimat

Das Zentrum der Deutsch-Kanadier liegt tatsächlich nordwestlich von Toronto, gut anderthalb Stunden mit dem Auto entfernt. In den Städtchen Kitchener und Waterloo haben es sich deutsche Einwanderer gemütlich gemacht, sie pflegen bis heute deutsche Traditionen. So gilt das Oktoberfest in Kitchener als das zweitgrößte Oktoberfest der Welt.

[wpgmza id=”1″]In Kitchener und Waterloo sind auch mehrere deutsche Clubs und Vereine beheimatet. Initiativen zum Erhalt oder der Förderung der deutschen Kultur kommen – von den offiziellen deutschen Institutionen einmal abgesehen – oft von dort.

Seit 2000 gibt es etwa einen „German Pioneers Day“: Jedes Jahr werden einen Tag nach Thanksgiving in Toronto und in Kitchener die Leistungen der deutschen Pioniere in Kanada geehrt und die deutsche Fahne gehisst. Der German Pioneers Day ist offiziell im Gesetz von Ontario verankert. Er geht auf eine Initiative von Wayne Wettlaufer zurück, Bürger von Kitchener und langjähriges Mitglied des Parlamentes von Ontario.

Die Deutsch-Kanadier in Kitchener und Waterloo zelebrieren ihre Herkunft, deutsche Kultur und Traditionen geben ihnen über Generation hinweg Identität. Für die Deutschen, die noch nicht so lange in Kanada leben, ist das anscheinend weniger wichtig und sie verstecken sich. Das ist schade, denn das Bild, das die Kanadier von uns Deutschen haben, ist oft stereotyp und einseitig – ich berichte davon im kommenden Artikel.

Zusatz: Vielen Dank an Karl Mahler für die umfangreichen Informationen zu William Berczy.

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