Toronto wirkt auf den ersten Blick ziemlich grau – nicht zuletzt aufgrund des Verkehrs, der sich unentwegt durch die Straßen wälzt. Erst auf den zweiten Blick zeigt sich, dass die Stadt viel Natur bietet.
Als ich das erste Mal in Toronto ankam, war ich geschockt: Diese Stadt entsprach überhaupt nicht meinen Erwartungen von Kanada. Der Highway, über den wir die Stadt erreichten, war zwölfspurig und in der Abendsonne glitzerte Torontos Skyline aus Glas, Chrom und Beton. Auf der Yonge Street fuhren wir schnurgerade und kilometerlang in die Stadt hinein, vorbei an Wohnblöcken, Pubs und an hunderten kleinen Läden.
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Unsere Wohnung liegt direkt an der Yonge Street, der Verkehr strömt 24 Stunden an unseren Fenstern vorbei. Es fällt mir bis heute schwer, ihn zu ignorieren. Glücklicherweise bin ich zu Fuß innerhalb weniger Minuten mitten in der Natur.
Abseits der Hauptstraßen ist Toronto sehr grün
Auch wenn es nicht sofort ins Auge sticht: Die Natur hat einen hohen Stellenwert in Toronto. Auf fast vierzig Prozent der Stadtfläche wachsen Bäume, Büsche und Gras. Viele der Seitenstraßen der Yonge Street führen direkt in schattige Wohnviertel. Dort stehen Bäume vor den Einfamilienhäusern und die Anwesen haben Gärten.
Dieses Konzept prägt ganz Toronto: An den Hauptverkehrsadern ist es geschäftig, der Verkehr fließt zäh und lautstark, Läden und Restaurants säumen die Straßen. Wer aber in eine Seitenstraße abbiegt, der ist sofort in einem Wohnviertel mit kleinen Häuschen und viel Grün. Ich muss zugegeben, wer nahe der Innenstadt ein Haus kaufen will, der muss ordentlich Geld haben. In noblen Wohnvierteln, wie etwa in Rosedale bei mir um die Ecke, kostet ein Einfamilienhaus locker eine Million kanadische Dollar.
Die wilde Natur ist nur wenige Schritte entfernt
Die Stadt hat Bäche und Flüsse sich selbst überlassen oder in den letzten Jahren renaturiert. Wenige Schritte von unserem Apartment entfernt führt ein Pfad in eine Schlucht. Wenn ich dort hinuntersteige, dann verschwindet die Großstadt aus meinem Blick und es kommt mir so vor, als würde ich im Schwarzwald oder in der Fränkischen Schweiz spazieren gehen. Nach etwa einer Stunde Marsch komme ich zum Don River, der zum Ontario-See hinab fließt.
Sowohl der Don River als auch der Humber River, die beiden großen Flüsse in Toronto, liegen eingebettet im Grünen. Wild wachsen hier exotische Bäume wie der Staghorn Sumac mit seinen weinroten Blüten. Vor allem das Wasser des Humber Rivers ist sehr klar. An seinem Ufer gibt es viele grüne Flächen, auf denen Familien picknicken und Kinder spielen. Es gibt sogar die Möglichkeit, sich ein Kanu auszuleihen und den Humber River bis zur Mündung hinunter zu paddeln.
Auch der Ontario-See ist ein Ziel für diejenigen, die eine Pause vom Großstadtrummel brauchen. Kilometerlang führen Rad- und Fußwege am Ufer entlang. Wer keine eigene Yacht oder ein Segelboot im Hafen liegen hat, der kann mit einem Seekajak die Küste erkunden. Entgegen der Vorstellung, dass der Ontario-See durch die große Stadt sehr verschmutzt ist, wehen an den Sandstränden Blaue Flaggen – ein internationaler Maßstab für Sauberkeit und nachhaltiges Umweltmanagement.
Wer Fische im See vor Toronto fängt, der kann diese ohne Bedenken essen, hieß es in der Tageszeitung The Globe and Mail vor wenigen Tagen. Na, ja, nicht alle teilen diesen Enthusiasmus: Ein Freund gestand mir, dass er beim Schwimmen eine Menge Müll auf dem Grund des Sees gesehen hat.
Vögel herrschen über den Bauschutt an der Küste
Toronto hat zudem viele öffentliche Parks. Der High Park im Westen der Stadt gehört zu den schönsten. Er ist rund 160 Hektar groß und erstreckt sich bis hinunter zum See. Neben vielen Spiel- und Sportflächen hat der Park einen kleinen Zoo und im Sommer strömen die Theaterfreaks abends zur Freilichtbühne, wie etwa dieses Jahr zu einer Macbeth-Inszenierung.
Die grünen Highlights der Stadt sind für mich der Tommy Thompson Park und die Toronto Islands. Der Tommy Thompson Park ist genau genommen eine Schutthalde, seit Jahrzehnten laden Lastwagen Aushub und Steine dort ab. Im Laufe der Zeit ist eine Halbinsel gewachsen auf der seltene Pflanzen, Vögel, Schmetterlinge, Schlangen und Kaninchen eine neue Heimat gefunden haben.
Nirgendwo in Toronto gibt es so viele Vögel wie im Tommy Thompson Park. Rund 300 verschiedene Vogelarten sollen dort leben. Wenn ich abends mit dem Rennrad auf der Halbinsel unterwegs bin – hier endet eine meiner Lieblingsstrecken – dann scheuche ich Finken auf, die in Pfützen baden, und ziehe die irritierten Blicke kanadischer Wildgänse auf mich.
Die Inseln vor Toronto sind ein beliebtes Ausflugsziel. Über sie berichte ich ausführlich in einem kommenden Post.
Weitere Artikel über Torontos Natur:
Die Szene-Zeitung NOW hat Torontos Schluchten und Flusstälern ein paar schöne Artikel gewidmet:
Danke für diesen schönen Artikel. Toronto scheint ja ziemlich ambivalent zu sein, was Betonwüste und Naturparadies betrifft – das ist in Berlin ganz ähnlich. Aber das Grün hier ist ziemlich uninteressant, vergleicht man es mit den Bächen und Seen von Toronto. Und wir haben hier in Berlin nur 8- spurige Straßen… 😛
Berlin hat dafür einen sehr talentierten schwäbischen Organisten 😉